Schotthoefer
Urteile - Archiv
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Dezember 2013

1. OLG Karlsruhe: Werbung muss auf Anhieb als solche erkennbar sein

 

2. OLG Düsseldorf: "Garantiert echte Kundenmeinungen" müssen echt sein

 

3. OLG Nürnberg: 199 Abmahnungen in 8 Tagen sind zu viel

 

4. OLG Brandenburg: § 312 g Abs. 1 S. 1 BGB und § 312 e Abs. 1 S. 1BGB ????

 

5. LG Düsseldorf: Anti-Aging Behandlung darf nicht pauschal angeboten werden

 

6. Zum Schmunzeln: "Starbucks" mit Logo "Starbung - Coffee" verwechslungsfähig?

 

7. Streaming, das neue Filesharing - Droht ein "Abmahn-Tsunami"?

 

 



1. OLG Karlsruhe: Werbung muss auf Anhieb als solche erkennbar sein

Auch in die Form eines Preisrätsels gekleidete Werbung muss auf den ersten Blick und ohne jeden Zweifel als Werbung erkennbar sein. Die Überschrift "Verlagsanzeige" verschleiert nach Auffassung des OLG Karlsruhe den Werbecharakter des Gewinnspiels. Da im vorliegenden Fall der Text zum Teil weder schnell gestaltet worden und mit journalistischen Elementen angereichert war, sei auch für den Satz situationsadäquat aufmerksamen Leser der Werbecharakter nicht auf den ersten Blick und ohne Zweifel erkennbar gewesen. Deswegen sei die Werbung unzulässig, weil irreführend und damit zu untersagen.

OLG Karlsruhe vom 7.6.2013, Az. 4 U 7/12
GRUR – RR 2013,S. 515

 

2. OLG Düsseldorf: "Garantiert echte Kundenmeinungen" müssen echt sein

Werden Kundenmeinungen über die Leistungen des Werbenden, hier eines Zahnarztes, vom Zahnarzt für seine Werbung verwendet, muss es sich um neutrale Kundenmeinungen handeln. Die Zusammenstellung darf nicht zu Gunsten des Werbenden "geschönt" werden.

OLG Düsseldorf vom 19.2.2013, Az. I-20 U 55/12
GRUR – RR 2013, S. 528

 

3. OLG Nürnberg: 199 Abmahnungen in 8 Tagen sind zu viel

Ein Unternehmen hatte 199 Abmahnungen innerhalb von 8 Tagen wegen angeblich fehlenden Impressums verschickt. Das OLG Nürnberg hielt dies für zu viel und wies die Klage auf Unterlassung und Zahlung der Abmahnungsgebühr wegen Rechtsmissbrauch zurück. Obwohl der Abmahnende Kläger finanziell schwach gewesen sei, habe er in großer Zahl Abmahnungen ausgesprochen. Das Stammkapital habe nur 20.000 Euro ausgewiesen. Durch die Abmahnungen habe man einen Gewinn von 41.000 Euro erzielt, hinzu kamen ca. 53.000 Euro an Anwaltskosten. Diese alleine sei bereits rechtsmissbräuchlich. Das Kostenrisiko einer einzigen Unterlassungsklage habe ca. 1250 Euro betragen, bei fast 200 Verfahren wären dies ca. 250.000 Euro gewesen. Es bestehe weder ein Anspruch auf Unterlassung noch auf Ersatz der Abmahnkosten.

OLG Nürnberg vom 3.12.2013, Az. 3 U 348/13
Fundstelle: eigene

 

4. OLG Brandenburg: § 312 g Abs. 1 S. 1 BGB und § 312 e Abs. 1 S. 1

Ein Unternehmen war wegen angeblich unzutreffender Widerrufsbelehrung abgemahnt worden. Die Widerrufsbelehrung informierte zutreffend und in Einklang mit der Rechtslage über den Beginn der Widerrufsfrist. Allerdings war als rechtliche Grundlage § 312 g Abs. 1 S. 1 BGB statt § 312 e Abs. 1 S. 1 BGB angegeben worden. Tatsächlich hatte der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Belehrung über die Widerrufsfrist neu geregelt und der neuen Fassung auch eine neue Bestimmung zugeordnet. Das OLG Brandenburg war nun der Auffassung, dass dadurch die Widerrufsbelehrung nicht inhaltlich unrichtig oder unvollständig geworden sei und wies die entsprechende Klage ab.

OLG Brandenburg vom 8.10.2013; Az. 6 U 97/13
WRP 2013, S. 1637

 

5. LG Düsseldorf: Anti-Aging Behandlung darf nicht pauschal angeboten werden

Ein Arzt hatte für Anti-Aging Behandlungen mit Ulinumtoxin zu einem Pauschalpreis geworben und angegeben, dass für diese Leistung nunmehr 99 Euro statt 350 Euro verlangt werden. Das LG Düsseldorf verbot diese Werbung als unzulässig. Das vorgeschriebene ärztliche Ermessen unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes werde bei einem Pauschalpreis nicht ausgeübt. Dies stelle einen Verstoß gegen § 5 Abs. 2 GOÄ dar.

LG Düsseldorf vom 30.8.2013; Az: 38 O 6/13
WRP 2013, S. 1666

 

6. Zum Schmunzeln:
Amerikanische Kaffeehauskette "Starbucks" geht gegen thailändischen Strassenhändler mit dem Logo "Starbung-Coffee"  vor

 

7. Streaming, das neue Filesharing - Droht ein "Abmahn-Tsunami"?

Es war nur eine Frage der Zeit, dass Urheber oder/und Rechteinhaber auch das "Streamen"  zum Anlass von Abmahnungen machen würden. Beim Streaming werden Audio- und Videodateien aus einem Rechennetz empfangen und gleichzeitig wiedergegeben. Hierfür ist eine Software notwendig, um diese anzusehen zu können. Dabei werden diese Dateien temporär auf dem eigenen Rechner zwischengespeichert.

Die Schweizer Gesellschaft "The Archive AG" und die sie vertretende Anwaltsgesellschaft U + C haben nun eine Abmahnwelle losgetreten. Deswegen soll ein Überblick über den aktuellen Stand der rechtlichen Diskussion gegeben werden.

Täglich werden von Internetnutzern  Streaming-Dienste millionenfach genutzt. Für den Einzelnen ist die im Rahmen des Streaming vorgenommene vorübergehende Vervielfältigung  nur in der Weise erkennbar, dass Filme auf dem Bildschirm wiedergegeben werden, ohne dass diese auf der Festplatte dauerhaft gespeichert werden. Man wird nicht vom Computer zur Speicherung oder zu einer sonstigen aktiven Handlung aufgefordert. Der normale Internetnutzer wird sich daher gar keine Gedanken darüber machen, ob die Daten des Films oder Musikwerk auf dem eigenen Computer zwischengespeichert werden.

Urheberrechtsverletzung durch Streamen ?

Dennoch wurde das urheberrechtlich geschützte Werke kurzzeitig vervielfältigt. Damit liegt zunächst eine Urheberrechtsverletzung gem. § 16 Abs. 1 UrhG vor, da auch vorübergehende Vervielfältigungshandlungen von der Vorschrift umfasst sind.

Es stellt sich aber die Frage, ob eine Ausnahmevorschrift anwendbar ist, die diese Art von Handlungen erlaubt. Dies ist im Schrifttum umstritten. Obergerichtliche Rechtsprechung, die sich direkt mit dem Thema beschäftigt, liegt soweit erkennbar noch nicht vor.
Das in der Abmahnung aufgeführte Urteil des Amtsgerichts Leipzig befasst sich mit dem bekannten Fall des Betreibers der Seite kino.to und nicht einem Nutzer dieser Seite, kann daher aus diesem Grund für die Frage nicht direkt von Bedeutung sein.

Erlauben Ausnahmevorschriften das Streamen ?

Aus einer Entscheidung des EuGH möchte ein Teil des Schrifttums  ableiten, dass § 44a UrhG auf den Empfang von Streaming-Signalen anzuwenden ist, d.h. dass diese Schrankenbestimmung das Streaming  erlaubt.

Die Gegenmeinung führt ins Feld, dass zumindest die Voraussetzung nach § 44a Satz 1 Nr. 2 UrhG "und deren alleiniger Zweck es ist, … 2. eine rechtmäßig Nutzung eines Werks … zu ermöglichen" beim Streaming von Werken nicht erfüllt ist.

Sollte ein Gericht dieser Meinung folgen, wäre noch nicht alles verloren, da es eine weitere Ausnahmevorschrift gibt,  die die Handlung erlauben könnte.  § 53 Abs. 1 Satz 1 UrhG bestimmt, dass einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern zulässig sind, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.

Bei privaten Konsumenten wird im Zweifel kein Erwerbszweck bestehen, vor allem unter Berücksichtigung der Art der "gestreamten" Filme, so dass es letztlich darauf ankommt, ob es für den Nutzer offensichtlich war, dass es sich um rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte  Inhalte handelt.
 
Von einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vervielfältigung kann ausgegangen werden, wenn der Hersteller des Originals die Erstellung von Privatkopien bekanntermaßen durch technische Schutzmechanismen ausgeschlossen hat oder das Werk vor dessen Veröffentlichung durch den dazu Berechtigten öffentlich zugänglich gemacht wird (Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 4. Auflage, § 53 Rn. 12 a).

Es kann dem Internetnutzer wohl nicht unterstellt werden, zu wissen, ob die Pornofilmhersteller ihre Filme technisch schützen. Dies ist jedenfalls bei einem Blick auf die Seite www.redtube.com nicht erkennbar.

Da auf dieser Internetseite der Anbieter damit wirbt, "Free Porn Sex Videos" wiederzugeben, kann der Nutzer nach meiner Ansicht auch nicht erkennen, dass das Portal offensichtlich rechtswidrige Filme zum Ansehen anbietet.
 
Dennoch muss die Frage aufgeworfen werden, warum das Landgericht Köln in seinem Beschluss dem Auskunftsanspruch zugestimmt hat.  Hätte das Gericht die Anwendung einer Ausnahmevorschrift bejaht, dann hätten auch keine Namen der Anschlussinhaber herausgegeben werden dürfen.
 
Es wird hier in der Internetgemeinde gemutmaßt, dass das Landgericht den Fall schlicht als Filesharing-Fall betrachtet und daher keine genauere Prüfung durchgeführt hat. Die Verwendung von bestimmten Begriffen lässt zumindest diese Interpretation als nicht abwegig erscheinen.

Der Beschluss ist jedoch rechtskräftig, so dass den Betroffenen eher zur Vorsicht zu raten ist, da nicht klar ist, ob das Landgericht Köln den Meinungen in der Literatur gefolgt ist.
Unklar ist momentan auch, wie die Überwachungsfirma itGuards Inc. es technisch geschafft hat, die gestreamte Datei einer konkreten IP-Adresse zuzuordnen. Es wird zu überprüfen sein, ob die Ermittelung der Daten einem gesicherten Verfahren entsprecht.

Weiterhin sind die Abmahnungen unter Umständen unwirksam. Fehlt nämlich der Hinweis, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht, ist diese unwirksam. In Abmahnung älteren Datums ist folgender Hinweis enthalten:

"Sofern Sie lediglich als Störer für die Rechtsverletzung verantwortlich sind, geht die vorgeschlagen Unterlassungserklärung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus"

Ob diese Angabe ausreicht, ist zu bezweifeln, da nicht klargestellt wird, inwieweit diese Erklärung darüber hinausgeht, sondern nur dass dies so ist.

Reaktionsmöglichkeiten des Abgemahnten

Wie soll nun ein Abgemahnter reagieren? Dies hängt im Grunde davon ab, wie risikobereit er ist. Gibt er keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, dann erhöht sich das Kostenrisiko im Falle eines gerichtlichen Verfahrens – wenn dies zu seinen Ungunsten endet. Gibt er eine ab, dann sollte diese modifiziert und zumindest dieser Film nicht mehr (auch auf anderen Internetportalen) gestreamt werden.
 
Auf jeden Fall ist davon abzuraten, die 250,00 EUR sofort zu bezahlen. Eine Rückerlangung von einem Unternehmen mit Sitz in der Schweiz erscheint sehr schwierig.

Ausblick

Die rechtlichen Risiken für den Abmahner (also nicht für denjenigen, der abgemahnt wurde), dass Gerichte das Streamen für grundsätzlich zulässig ansehen, erscheinen zu hoch, als dass nach einer Abmahnwelle auch eine Prozessflut zu erwarten ist. Unklar ist auch, ob der Abmahner  die IP-Adressen beweissicher zu dokumentieren und damit auch der Nachweis geführt werden kann, dass die IP-Adressen ohne Verstoß gegen das Datenschutzrecht gesammelt wurden.

Sollte jedoch einige Gerichte die Auffassung vertreten, dass "Streaming" als Urheberrechtsverletzung zu qualifizieren ist, kann es durchaus in der Abmahnlandschaft stürmisch werden.

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Dr. Peter Schotthöfer & Florian Steiner

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