Schotthoefer
Urteile - Archiv
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Mai 2005

1. Angebot von Kurzabonnements für den " Stern " an Schulen nicht unzulässig

- Werbeschreiben, die an Schulen bzw. Lehrer gerichtet sind, sind nicht ohne weiteres unzulässig
- Länderverbot der Wirtschaftswerbung in Schulen muss nicht durch Gerichte erweitert werden

 

2. Die – auch mehrfache - Verwendung des Buchstabens "A" im Firmennamen, nur um so an erster Stelle im Branchenfernsprechbuch zu stehen, ist nicht unlauter
- z.B. AA – Schlüsseldienst Maier

 

3. Nicht jedes Gericht für bundesweite Werbung zuständig

- Grundsätzlich jedes Gericht zuständig
- nach OLG Düsseldorf muß aber Wettbewerbsverletzung für Gerichtsbezirk relevant sein

 

4. Die durchschnittliche Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Betrachten von Fernsehwerbung ist gering

- irreführende Werbung ist untersagt
- Werbung ist irreführend, wenn sie ein durchschnittlicher, informierter und interessierter Verbraucher missversteht
- die Aufmerksamkeit eines Betrachters von Fernsehwerbung ist gering
- Fernsehwerbung sollte mit dem " Holzhammer „ – Pinzip arbeiten

 

5. Mißbrauch der Klagebefugnis

- es ist rechtsmissbräuchlich, sich die Befugnis für eine Klage abkaufen zu lassen
- eine vor diesem Hintergrund eingereichte Klage ist als unzulässig abzuweisen

 

6. Präzisierung des Verbraucherleitbildes durch EuGH

Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt es auf den "durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher "*. In englischer und franösischer Sprache formulierte der EuGH „average consumer who is reasonably well – informed and reasonably observant and circumspect „ und in französicher Sprache „ consommateur moyen, normalement informe et raisonnablement attentif et avise.

Umstritten war nun in der deutschen Interpretation, ob sich das Wörtchen " durchschnittlich " nur auf " informiert " oder auch auf die Worte " aufmerksam " und " verständig " bezieht. Mit anderen Worten, ob es auf den den "wirksamen und verständigen" oder auf den " durch -schnittlich aufmerksamen und verständigen " Verbraucher ankommt. Dies hat der € Europäische Gerichtshof und das Europäische Gericht in erster Instanz nunmehr klargestellt. Maßgeblich soll der " normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher " sein.

 

7. Beweislast bei durch Dialer verursachten Telefongebühren bei Telekommunikationsunternehmen

- Dialer können Kosten verursachen, ohne dass der Nutzer dies bemerkt
- die Tatsache, dass ein Mehrwertdienst in Anspruch genommen wurde, beweist nicht, dass der Nutzer dies willentlich tat
- das Telekommunikationsunternehmen hat dies deswegen im Einzelfall darzulegen

 

8. Maßstab für Irreführung im Internet

- für Werbung im Internet gelten die gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen wie in anderen Medien
- Einzelaussagen ohne Bezug zu anderen Aussagen können auch einzeln gewürdigt werden
- wird der Bezug einer Einzelaussagen zu anderen Aussagen hergestellt, darf
die Werbung nur im Gesamtbild gewertet werden

 

9. Rechtsanwälte dürfen (noch mehr) werben

Die Satzungsversammlung der Rechtsanwaltskammer hat die Werbung durch Rechtsanwälte weiter liberalisiert.

 


 

1. Angebot von Kurzabonnements für den " Stern " an Schulen nicht unzulässig

Der Verlag, in dem das Magazin " Stern " erscheint, hatte mit einem Schreiben an Schulen für ein Kurzabonnement für 13 Ausgaben a 25 Cent, insgesamt 3,25 € geworben. Ein Wettbewerbsverein sah darin einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Danach sei es verboten, die geschäftliche Unerfahrenheit insbesondere von Kindern oder Jugendlichen auszunutzen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen das Verlagshaus zurück. Einmal sei das Angebot gar nicht an Kinder oder Jugendliche, sondern an Schulen bzw. Lehrer gerichtet. In dem Schreiben sei aber auch kein " psychischer Druck " oder ein " unangemessener unsachliche Einfluss " zu sehen.
Zwar habe der Bundesgerichtshof einmal festgestellt, dass die Schule nicht zu einem
" Kampfplatz der Wirtschaftswerbung " werden dürfe, aber auch klargestellt, dass diesem Grundsatz bereits das im Schulrecht der Bundesländer enthaltene Verbot von Wirtschaftswerbung in Schulen entspricht. Wenn insoweit Ausnahmen gestartet würden, sei es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechtes, dem aus allgemeinen Grundsätze entgegenzutreten, solange nicht im Einzelfall Missbräuche vorkämen.

OLG Hamburg vom 9.9.2004 ; 3 U 17/04
NJW RR 2005,408

 

2. AA Schlüsseldienst

Ein Schlüsseldienst hatte seinem Firmennamen die Buchstaben AA vorangestellt, nur um im Branchentelefonbuch an erster Stelle zu stehen und damit möglichen Kunden gleich ins Auge zu fallen. In manchen Branchen führt dies dazu, dass Firmennamen vorwiegend aus dem Buchstaben " A " bestehen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Klage der Wettbewerbszentrale auf Unterlassung dieser Taktik zurück. Es handele sich hier weder um " übertriebenes Anlocken " noch um unzulässige sogenannte " gezielte Behinderung ". Denn sie sei in keiner Weise geeignet, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Druck oder sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Der heutige Verbraucher werde selbst durch Voranstellen von mehreren " A`s " in seiner Entscheidungsfreiheit nicht ernsthaft beeinträchtigt, da er immer wisse, dass diese Stellung nichts über die Qualität der so werbenden Firma aussage. In der Absicht, Kunden zu sich hin zu lenken, liege auch keine Behinderung der Mitbewerber. Das sei bloße Folge des Leistungswettbewerbs und reiche für eine gezielte Behinderung nicht aus.

OLG Hamm vom 5.10.2004 ; Az. 4 U 96/04
WRP 2005, S. 525

 

3. Nicht jedes Gericht für bundesweite Werbung zuständig

Gegen eine bundesweit eingesetzte Werbung kann ein Konkurrent im Prinzip bei jedem deutschen Gericht seiner Wahl vorgehen. Das gilt insbesondere bei Fernseh - und Rundfunkwerbung, aber auch bei Werbung im Internet.

Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hatte sich mit der Werbung eines im Saarland ansässigen Möbelhändlers zu befassen, gegen den ein anderer saarländischer Möbelhändler vor das Landgericht Düsseldorf gezogen war. An zwei Tagen waren im saarländischen Rundfunk (SR 1) vermeintlich wettbewerbswidrige Werbespots ausgestrahlt worden.

Das OLG Düsseldorf entschied nun, dass das erstinstanzlich angerufene Landgericht Düsseldorf nicht zuständig gewesen sei. Dabei könne auch unterstellt werden, dass das Programm SR 1 auch durch Satellit und Digitalübertragung in Düsseldorf empfangen werden könne.

Allerdings sei die Verbreitung der Sendungen des Saarländischen Rundfunks im Gerichtsbezirk Düsseldorf nicht in "wettbewerbsrechtlich relevanter Weise" erfolgt. Der Gerichtsbezirk müsse zum geschäftlichen Einzugsbereich des klagenden Unternehmens gehören. Vermehrt würden Rundfunk - und Fernsehsendungen mit Werbung nicht nur mittels Ausstrahlung durch Sendemasten, sondern auch durch Satellit oder Internet verbreitet. Auch Zeitungen mit Werbung würden immer häufiger ganz oder teilweise in das Internet eingestellt. Das Internet selbst werde in großem Umfang für Werbung genutzt. Wettbewerbliche Interessen des klagenden Möbelhauses im Gerichtsbezirk seien aber nicht verletzt. Möbel durchschnittlicher Art pflegten auch nicht über größere Entfernung verkauft zu werden. Die Möglichkeit, dass Wochenendpendler aus dem Saarland den Werbespots in Düsseldorf zur Kenntnis nehmen könnten, sei gering und wettbewerbsrechtlich relevant.

OLG Düsseldorf vom 30.3.2004 ; Az. 20 U 151/03
GRUR - RR 2005,33

 

4. Die durchschnittliche Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Betrachten von Fernsehwerbung ist gering

Am Beispiel eines Werbespots für Telefontarife machte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt interessante Ausführungen zum Thema " Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Betrachten von Fernsehwerbung ". Bei der Beurteilung der Frage der Irreführung eines Werbespots sei von einem durchschnittlichen Verbraucher auszugehen, der die Werbung in situationsadäquater Weise zur Kenntnis nehme. Dies bedeute, dass der Grad seiner Aufmerksamkeit je nach dem Gegenstand der Werbung verschieden sein könne. Die durchschnittliche Aufmerksamkeit der Zuschauer beim Betrachten von Fernsehwerbung sei eher gering. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Zuschauer eine Fernsehwerbung häufig nur deshalb wahrnehme, weil sich ihm in der gegebenen Situation keine anderweitige Möglichkeit biete, die Unterbrechung der ausgewählten Sendung zu überbrücken oder weil er die Fortsetzung des Programms nach der Werbepause nicht versäumen möchte. Verbraucher, die der Werbung mit ungeteilter und gespannter Aufmerksamkeit folgen und sie in allen Details erfassen, bildeten die Ausnahme. Im Unterschied zu schriftlicher Werbung in Zeitungsanzeigen, Prospekten u. ä. besteht bei der Fernsehwerbung auch keine Gelegenheit, sich einzelne Werbeaussage nochmals genauer vor Augen zu führen. Deswegen war im vorliegenden Fall der Werbespots irreführend, obwohl darin mehrfach ein Wort vorkam, durch das sich der Sinn des Spots erschloss.

OLG Frankfurt vom 23.9.2004 ; Az. 6 U 147/03
GRUR 2005, 128

 

5. Mißbrauch der Klagebefugnis

Ein Handelsunternehmen hatte nicht nur einen Konkurrenten wegen eines Wettbewerbs -verstoßes abgemahnt, sondern auch noch dessen Abnehmerfirmen. Der Geschäftsführer des abgemahnten Unternehmens setzte sich daraufhin mit dem dem Bruder der Geschäftsführerin des abmahnenden Unternehmens in Verbindung. Unter vier Augen kam man offensichtlich überein, dass das abgemahnte Unternehmen 580.000 € bezahlen sollte als " Schadenersatz ". Zu einer Zahlung kam es allerdings nicht. Vielmehr reichte das abmahnende Unternehmen Klage auf Unterlassung wegen des abgemahnten Wettbewerbsverstoßes ein.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Klage als unzulässig ab. Die Geltendmachung des möglicherweise bestehenden Unterlassungsanspruches sei rechtsmissbräuchlich. Das Geld sollte offensichtlich bezahlt werden, um die angekündigten rechtlichen Schritte zu vermeiden.

OLG Hamm vom 22.6.2004 ; Az. 4 U 13/04
GRUR - RR 2005,141

 

6. Klarstellung des EuGH zum Verbraucherleitbild

Der europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seiner Auffassung von einem aufgeklärten und informierten Verbraucher den Maßstab deutscher Gerichte in dieser Frage stark beeinflusst. In einer Entscheidung hat er festgestellt, dass es darauf ankomme, " wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher eine Angabe wahrscheinlich verstehen werde "*. In englischer und franösischer Sprache formulierte der EuGH „average consumer who is reasonably well – informed and reasonably observant and circumspect „ und in französicher Sprache „ consommateur moyen, normalement informe et raisonnablement attentif et avise“.

Umstritten war nun in der deutschen Interpretation, ob sich das Wörtchen " durchschnittlich " nur auf " informiert " oder auch auf die Worte " aufmerksam " und " verständig " bezieht. Mit anderen Worten, ob es auf den " durchschnittlich aufmerksamen " oder auf den " durchschnittlich aufmerksamen und (durchschnittlich) verständigen " Verbraucher ankommt. Dies haben der Europäische Gerichtshof und das europäische Gericht in erster Instanz nunmehr klargestellt. Maßgeblich soll der " normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher " sein.

Entscheidende Bedeutung für die tägliche Arbeit in der Werbung dürften diese Urteile wohl nicht haben.

EuGH GRUR Int 2005, 44

* vgl.a. " Sack, Die neue deutsche Formel des Europäischen Verbraucherleitbildes " WRP 2005,462

 

7. Beweislast bei Dialer verursachten Telefongebühren

Ein Telekommunikationsunternehmen machte gegenüber einem Kunden auch Gebühren für die Inanspruchnahme so genannter " Mehrwertdienste " geltend. Der Kunde wandte ein, dass er diese Dienste nicht in Anspruch genommen habe. Das Landgericht (LG) Osnabrück wies in zweiter Instanz die Klage des Unternehmens auf Zahlung der Gebühr für " Mehrwert -dienste " ab. Aus der bloßen Inanspruchnahme eines solchen Dienstes könne nicht darauf geschlossen werden, dass der Nutzer sie bewusst abgerufen habe. Auch eine missver -ständliche oder bewusst auf Täuschung angelegte Gestaltung des Bildschirminhaltes könne der Grund hierfür gewesen sein. Es sei der Kammer bekannt, dass derartige Manipulationen im Internet nicht ungewöhnlich seien. Deswegen müsse das Unternehmen darlegen, dass die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes mit Wissen und Wollen des Kunden erfolgt sei.

LG Osnabrück vom 47. 8. 2004, Az. 12 S 45/04
Computer und Recht S. 272

 

8. Irreführung im Internet

Werbung im Internet unterliegt grundsätzlich den gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen wie in anderen Medien. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich nun mit der Frage befasst, ob das auch für die Irreführung gilt. Entscheidend hierfür sei die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richte. Hier wiederum sei maßgebend der " Normalverbraucher ", wenn es um Waren des Bedarfs des allgemeinen Publikums gehe, der durchschnittlich informiert und verständig sei.

Die Tatsache, dass es sich bei dem Internet um eine passive Darstellungsform handele, bei der die angebotenen Informationen vom User "aktiv " abgerufen werden müssten, ändere daran nichts. Eine isolierte Betrachtung einer einzelnen Aussage in einer Werbeschrift könne dann geboten sein, wenn weder sachlich noch äußerlich erkennbar ein Bezug bestehe. Einzelne in einer geschlossenen Darstellung gemachte Angaben dagegen dürften nicht aus ihrem Zusammenhang gerissen werden. Ob etwas als zusammengehörig aufgefasst werden könne oder nicht, richte sich nach den Umständen des Einzelfalles. Der Umstand, dass ein User im Internet aktiv Informationen nachfragen müsse, rechtfertige nicht den Schluss, er werde sämtliche Seiten eines Internetauftrittes zur Kenntnis nehmen. Der Interessierte werde vielmehr nur diejenigen Seiten aufrufen, die er zur Information über die von ihm ins Auge gefasste Ware benötigt und zu denen er auf Grund einfacher elektronischer Verknüpfung und unmissverständlicher Hinweise auf dem Weg bis zum Vertragsschluss geführt wird. Es widerspräche der Lebenserfahrung, zum Gesamtbild einer Internetwerbung alle Seiten eines Internetauftrittes zu zählen.

BGH vom 16.12.2004 ; Az. 1 ZR 222/02
WRP 2005, S. 480

 

9. Rechtsanwälte dürfen (noch mehr) werben

Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer hat am 21. Februar die Möglichkeiten der Werbung durch Rechtsanwälte weiter liberalisiert. In Zukunft sollte jeder den Teilbereiche seiner Berufstätigkeit werbend benennen dürfen, wenn er die entsprechenden Kenntnisse nachweisen kann. Die Beschlüsse dieser Versammlung müssen allerdings noch durch das Bundesministerium der Justiz geprüft und genehmigt werden.

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Dr. Peter Schotthöfer & Florian Steiner

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