Schotthoefer
Urteile - Archiv
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September 2006

1. OLG Stuttgart: Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei als " Bodenseekanzlei " unzulässig

- Die Kanzlei greift mit dieser Selbstbezeichnung über den lokalen Bereich hinaus
- Dass sie in diesem Raum eine Spitzenstellung genießen, behauptet sie allerdings selbst nicht.

 

2. LG Saarbrücken: DocMorris – Viel Lärm ! Um nichts ?

- Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage einer Apothekerin ab, die die Schließung der ersten DocMorris Apotheke erzwingen wollte. Die DocMorris Apotheke in Saarbrücken soll in der Form einer Kapitalgesellschaft betrieben werden
- In Deutschland erhält die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke nur eine " natürliche " Person, also der Apotheker Meyer, die Apothekerin Müller, nicht dagegen eine GmbH.
- Der saarländischen Minister argumentierte bei seiner Sondererlaubnis für DocMorris dass das deutsche Recht gegen europäisches Recht verstoße

 

3. BGH: Gutscheine durch Krankenkassen zulässig

- Betriebskrankenkasse kann Mitgliedern " Gutschein für eine kostenlose Blutdruck - und Blutzuckermessung " anbieten
- Dies stellt eine Maßnahme der Gesundheitsförderung und Prävention dar
- Auf derartige Handlungen sind nicht die Grundsätze des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anzuwenden.

 

4. OLG Koblenz: Wettbewerbswidrige Softwaregestaltung für Arztpraxen

- Eine Software für Arztpraxen sah die Möglichkeit zum Drucken von Gutscheinen für eine bestimmte Versandapotheke vor
- Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verbot den Vertrieb dieser Software als wettbewerbswidrig, weil es nach der hessischen Berufsordnung verboten sei, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen

 

5. OLG Brandenburg: Einwilligung in Werbung durch AGB

- Ein Internet-Auktionshaus führte Aufträge nur aus, wenn der Interessent u.a. erklärte, er sei volljährig und unbeschränkt geschäftsfähig, willige in die Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten etc.
- Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg beanstandte die Klausel nicht
- Die Einwilligungserklärung sei auch ordnungsgemäß zustandegekommen

 

6. BGH: "Lotto" nicht mehr geschützt

- Der Begriff " Lotto " stellt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) eine beschreibende Angabe eines Glücksspiels dar
- Ein Begriff, der ein Produkt der Gattung nach glatt beschreibt, kann nicht als Marke eingetragen werden

 

7. LG Ravensburg : Keine Anwaltswerbung mit Dumpingpreisen

- Das Landgericht (LG) Ravensburg verbot die Werbung einer Anwaltskanzlei für Rechtsberatung gegen eine Pauschale von 20 EUR als wettbewerbswidrig

 

8. Für Sie gelesen:

8.1. Aufsatz: „ Werbeeinwilligungen in AGB im Spiegel des Datenschutz - und Wettbewerbsrechts "

8.2. Neuer " Fachanwalt für Urheber - und Medienrecht "

8.3. BJM plant Senkung der Abmahngebühren

 


 

1. OLG Stuttgart: Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei als " Bodenseekanzlei " unzulässig

Eine Anwalts - und Steuerkanzlei mit Sitz in der Nähe des Bodensees trat nach außen als " Bodenseekanzlei " mit einer grafischen Ausschmückung auf. Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart sah darin eine wettbewerbswidrige und damit unzulässige Wortschöpfung. Es werde suggeriert, dass diese Kanzlei in diesem speziellen Wirtschaftsraum eine Spitzenstellung gegenüber anderen Kanzleien einnehme. Die Richter des Senates gehörten selbst zu den von dieser Bezeichnung angesprochenen Verkehrskreisen und könnten sich deswegen eine eigene Meinung darüber erlauben. Die Kanzlei greife mit dieser Selbstbezeichnung über den lokalen Ausschnitt hinaus und beziehe alle Rechtsberatung im deutschen Recht anbietenden Kanzleien am Bodensee ein. Dass sie in diesem Raum eine Spitzenstellung genieße, behaupte sie allerdings selbst nicht. Eine Aufbrauchsfrist - also eine Frist für die weitere Verwendung z.B. der noch vorhandenen Briefbögen mit dieser Bezeichnung - gewährte das Gericht nicht.

OLG Stuttgart vom 16.3.2006, Az. 2 U 51/05
NJW 2006, S. 2273

 

2. LG Saarbrücken: DocMorris – Viel Lärm ! Um nichts ?

DocMorris hat wieder zugeschlagen. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage einer Apothekerin ab, die mit Unterstützung ihres Verbandes die Schließung der ersten DocMorris Apotheke in Deutschland erzwingen wollte. Bisher vertrieb die holländische Apotheke ihre - nach eigenen Angaben bis zu 30 Prozent günstigeren - Produkte ausschließlich über das Internet. Dieser Vertriebsweg war in der Bundesrepublik Deutschland für rezeptpflichtige Medikamente gesetzlich verboten. Verboten ist in der Bundesrepublik auch das Betreiben einer Apotheke durch eine so genannte " juristische " Person (also z. B. GmbH). Eine Betriebserlaubnis für eine Apotheke erhält hier zu Lande nur eine " natürliche " Person, also ein Apotheker oder eine Apothekerin. Nur von der saarländischen Landesregierung erhielt DocMorris die so genannte Ministererlaubnis, die allerdings gegen deutsches Recht verstößt.
Der saarländischen Minister argumentierte, dass das deutsche Recht gegen europäisches Recht verstoße, das diese Einschränkung nicht kenne. In anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union könnten Apotheken auch durch Kapitalgesellschaften betrieben werden, wenn sie nur entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigten. Der Europäischen Gerichtshof hatte DocMorris bereits im Jahre 2003 Recht gegeben, als es darum ging, ob der Vertrieb von in den Niederlanden zugelassenen Humanarzneimitteln durch eine niederländische Apotheke über das Internet in die Bundesrepublik Deutschland erlaubt ist. Der saarländischen Minister argumentierte nun, dass seine Entscheidung zwar gegen deutsches Recht verstoße, nicht aber gegen das höherrangige EU Recht.

Die Entscheidung des saarländischen Gerichts trifft ausschließlich Apotheken im Saarland. Sie ist zudem nicht rechtskräftig und wird voraussichtlich durch die nächste Instanz überprüft werden. Es darf bezweifelt werden, dass diese zu demselben Ergebnis gelangt. Wenn dies nicht der Fall ist, wird DocMorris erneut den Europäischen Gerichtshof anrufen und dort - vermutlich - wiederum Recht bekommen. Schließen sich die anderen Minister dem saarländischen Kollegen an, kann es rasch zu bundesweiten Änderungen kommen. Tun sie das nicht, wird es eine länger dauern - bis zu Entscheidung des EuGH.

Für die deutschen Apotheker bedeutet das Urteil, dass sie sich auf noch härtere Zeiten gefasst machen müssen. Sie müssen damit rechnen, dass kapitalkräftige Unternehmen aus dem In- und dem Ausland von den dann neuen Möglichkeiten Gebrauch machen und den Druck auf die bisher ausschließlich Inhaber geführten deutschen Apotheken verstärken werden. Schon heute versuchen viele von ihnen über Kundenbindungssysteme (Taler, Boni etc.) ihre Position im Markt zu festigen. Fazit: viel Lärm - um sehr viel.

Az. 1 F 32/06

 

3. BGH: Gutscheine durch Krankenkassen zulässig

Eine Betriebskrankenkasse bot in ihrer Mitgliederzeitung einen " Gutschein für eine kostenlose Blutdruck - und Blutzuckermessung " an, den man ausschneiden und in einer bestimmten Apotheke einlösen konnte. Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Klage der " Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs " nun in letzter Instanz zurück. Die Betriebskrankenkasse habe mit ihrer Aktion ihren Mitgliedern kostenlose Vorsorge -untersuchungen ermöglichen wollen. Dies stelle eine Maßnahme der Gesundheitsförderung und Prävention dar, die vom öffentlich - rechtlichen Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenkasse erfasst sei. Nach § 69 Sozialgesetzbuch ( SGB ) seien auf derartige Handlungen aber nicht die Grundsätze des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb anzuwenden.

BGH vom 23. 2. 2006 ; Az. I ZR 164/03
NJW - RR 2006, S. 1046

 

4. OLG Koblenz: Wettbewerbswidrige Softwaregestaltung für Arztpraxen

Der Hersteller von Software für Arztpraxen hatte in seinem Programm für Ärzte ein Modul eingebaut, mit dem die Möglichkeit zum Drucken von Gutscheinen für eine bestimmte Versandapotheke vorgesehen war. Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz verbot den Vertrieb dieser Software als wettbewerbswidrig, weil es nach § 34 Abs. 5 der hessischen Berufsordnung für Ärzte (ebenso aller anderer Berufsordnungen) verboten sei, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken zu verweisen. Es sei Ärzten nicht gestattet, ihre Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Apotheken, Geschäfte und der Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen, damit die ärztliche Unabhängigkeit gewahrt werde. Mit der Integration der beanstandeten Software würden die Ärzte dazu angestiftet, gegen dieses Verbot zu verstoßen. Sachliche Gründe für die Empfehlung dieser bestimmten Apotheke seien nicht ersichtlich. Auch sei die Aushändigung eines Gutschein durch einen Arzt als solches bereits standeswidrig.

OLG Koblenz vom 14.2.2006 ; Az. 4 U 1680/05
Computer und Recht 2006, S. 514

 

5. OLG Brandenburg: Einwilligung in Werbung durch AGB

Ein bekanntes Internet - Auktionshaus führte Aufträge nur aus, wenn der Interessent erklärte, er sei volljährig und unbeschränkt geschäftsfähig, willige in die Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten gemäß der vorstehenden Datenschutzerklärung ein, willige auch ein, dass seine personenbezogenen Daten für eMail Marketingmaßnahmen (Werbung per E-Mail, Newsletter etc.) verarbeitet und benützt würden. Außerdem musste er sich damit einverstanden erklären, dass seine personenbezogenen Daten verarbeitet und künftig benutzt würden, um ihm auf seine persönlichen Interessen zugeschnittene Angebote zu präsentieren.

Auf die Klage eines Verbrauchervereins stellte das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg fest, dass an diesen Klauseln nichts zu beanstanden sei. Die Frage nach der Geschäftsfähigkeit sei zulässig, weil dies der Regelfall sei. Im Streitfall müsse ohnehin der Benutzer beweisen, dass er nicht oder eingeschränkt geschäftsfähig sei. Die Einwilligungserklärung sei im vorliegenden Fall auch ordnungsgemäß zustandegekommen. Der durchschnittlich verständige Nutzer könne erkennen, dass er rechtsverbindlich einer Verarbeitung seiner persönlichen Daten zustimme (" Ich willige in die Verarbeitung und Nutzung meiner personenbezogenen Daten gemäß der vorstehenden Datenschutzerklärung ein "). Zudem musste er diese Einwilligungserklärung durch eine bestätigende Wiederholung (" Ich akzeptiere und willige ein ") aktivieren. Ohne diese Aktivierung könne das Anmeldeverfahren nicht erfolgreich beendet werden. Zudem sei die Datenschutzerklärung auch auf dem Bildschirm sichtbar, der Text könne auch ausgedruckt werden. Die Lieferung werde auch nicht von der Zustimmung zu dieser Klausel abhängig gemacht.

OLG Brandenburg vom 11.1.2006 ; 7 U 52/05
Computer und Recht 2006, S. 490

 

6. BGH: " Lotto " nicht mehr geschützt

Der Begriff " Lotto " stellt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) eine beschreibende Angabe eines Glücksspiels dar. Zwar sei die Bedeutung des Begriffes im Laufe der Zeit auf eine bestimmte Art des Glücksspiels eingeengt. Dennoch könne ein Begriff, der ein Produkt der Gattung nach glatt beschreibt, nur dann als Marke eingetragen werden, wenn ein weit überwiegender Teil der angesprochenen Verkehrskreise darin einen Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produktes erblicke.

BGH vom 19.1.2006 ; I ZB 11/04
NJW 2006, X

 

7. LG Ravensburg : Keine Anwaltswerbung mit Dumpingpreisen

Eine Anwaltskanzlei hatte damit geworben, dass sie Verbrauchern zu bestimmten Zeiten die Möglichkeit biete, sich ohne vorherige Terminabsprache in allen Angelegenheiten zu einem Preis von 20 EUR inklusive Mehrwertsteuer beraten zu lassen. Das Landgericht (LG) Ravensburg verbot diese Werbung als wettbewerbswidrig. Eine Pauschalvergütung von 20 € für eine Beratungsleistung in allen Angelegenheiten eines Verbrauchers stehe nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, zur Verantwortung und zum Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes.

LG Ravensburg vom 28.7.2006 ; Az. 8 0 89/06 KfH 2
- Fundstelle: eigene -

 

8. Für Sie gelesen:

8.1. Artikel:

Wer sich mit den im Beitrag 5 ( OLG Brandenburg) angesprochenen Fragen intensiver beschäftigen möchte, dem sei ein vertiefender Aufsatz zu dem Thema in der Zeitschrift " Computer und Recht " (2006 , 533ff ) empfohlen:

" Peter Schmitz/Jens Eckardt: AGB-Einwilligung in Werbung Werbeeinwilligungen in AGB im Spiegel des Datenschutz - und Wettbewerbsrechts "

Der Beitrag setzt sich mit den rechtlichen Anforderungen an Einwilligungen mit Werbung auseinander, insbesondere auch Telefonwerbung, und untersucht diese am Maßstab des Datenschutz rechtes und des Werberechtes.

8.2.

Neu: " Fachanwalt für Urheber - und Medienrecht "

Am 3.4.2006 hat die Satzungsversammlung der deutschen Anwaltschaft die Einführung des Anfangszeichenfachanwalt für Urheber - und Medienrecht " sowie des " Fachanwalts für Informationstechnologierecht (IT-Recht)" beschlossen. Dadurch erhöht sich die Anzahl der Fachanwaltschaften auf 18 Rechtsgebiete.

 

8.3

BJM plant Senkung der Abmahngebühren

Das Bundesjustizministeriums (BJM) plant die Senkung der Abmahnungsgebühren für Urheberrechtsverletzungen. Betroffen sein sollen davon ausschließlich nichtgewerbliche Verletzungshandlungen in einfach gelagerten Fällen. Der Gegenstandswerte sollen präzise geregelt und entwickelt werden. Die Kosten für eine Abmahnung sollen 50 bis 100 EUR nicht übersteigen.

©
Dr. Peter Schotthöfer & Florian Steiner

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